
Kapitel 1.1
Waldboden und Waldstandort
1.1 Grundlagen der Standortskunde
Als Waldbewirtschafter:in sollten sie ein fundiertes Verständnis über ihre verschiedenen Waldstandorte haben. Der Boden bildet die Grundlage für die Gesundheit und Produktivität ihres Waldes, denn er speichert und stellt Wasser und Nährstoffe bereit und sorgt für Stabilität. Wenn sie die wichtigsten Boden- und Standortseigenschaften kennen, können sie bei der Baumartenwahl die Ansprüche ihrer Bäume besser berücksichtigen und standortsangepasste Maßnahmen für die Bewirtschaftung ableiten.
1.1.1 Was bestimmt den Waldstandort?

Abbildung 2.
Schematische Darstellung von Standortsparametern und primären Standortsfaktoren (umrandet).
Die Standortsfaktoren Wasser-, Nährstoff- und Wärmeangebot bestimmen die Wuchsbedingungen unserer Waldbäume. Diese stellen gleichermaßen Potenzial und Limitierung dar und können durch die Bewirtschaftung nur bedingt beeinflusst werden. Maßnahmen, wie beispielsweise Düngung, Kalkung, Bewässerung, etc., die in der Landwirtschaft üblich sind, werden in der Regel im Wald nicht durchgeführt. In Abhängigkeit vom Standortspotenzial sollte daher auf die Ansprüche einer Baumart geachtet werden.
1.1.2 Standortsgemäße Baumarten
Baumarten sind nach Röhrig et al. (2005) standortsgemäß, wenn sie:
- ihr natürliches Lebensalter ohne frühzeitigen Ausfall erreichen,
- ein den Standortsverhältnissen entsprechendes Wachstum aufweisen,
- sich natürlich verjüngen (vermehren) lassen
- und wenn sie den Standort nicht nachhaltig verschlechtern.
Die Auswahl standortsgemäßer Baumarten bietet eine Reihe von Vorteilen:
- Vitale Bäume: Baumarten, die an den Standort angepasst sind, kommen mit den herrschenden Wachstumsbedingungen besser zurecht und sind daher widerstandsfähiger gegen Krankheiten, Schädlinge und Umweltstressoren wie Trockenheit oder Frost. Eine standortsgemäße Baumartenwahl unterstützt die langfristige Vitalität und Produktivität des Waldes. Sie kann dazu beitragen, die Anpassungsfähigkeit des Waldes an veränderte Umweltbedingungen zu verbessern, die Resilienz gegenüber Extremereignissen zu erhöhen und damit das Betriebsrisiko zu senken.
- Natürliche Verjüngung und Artenvielfalt: Standortsgemäße Baumarten lassen sich leicht verjüngen, da sie oft mit anderen einheimischen Pflanzen und Tierarten in Wechselwirkung stehen. Dies trägt zur Erhaltung der Biodiversität bei und unterstützt das ökologische Gleichgewicht.
Zu den Standortsansprüchen der Baumarten gibt es in der Literatur viele Informationen, eine Literaturempfehlung finden sie nachfolgend (Abbildung 3).

Abbildung 3.
Standortsansprüche, Eigenschaften und Gefährdungen einiger heimischer Baumarten.
BFW-Empfehlung zum Vertiefen:
- Praxishilfe Klima – Boden – Baumartenwahl-Teil 1
- Standortansprüche der wichtigsten Waldbaumarten (fnr.de)
-
Nordamerikanische Baumarten – Silvics of North America, Conifers and Hardwoods (USDA)
-
Röhrig, E.; Bartsch, N.; von Lüpke, B. (2005). Waldbau auf ökologischer Grundlage, Verlag Ulmer UTB.
1.1.3 Besonderheiten des Waldbodens
Ein typischer Waldboden setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen und Strukturen zusammen, die eine komplexe Umgebung für das Pflanzenwachstum bilden. Im Gelände kann man den Waldboden untersuchen, indem man eine Grube aushebt. Oft reicht aber auch eine einfache „Spatenprobe“ (erklärt im Skriptum „Bodenanalyse leicht gemacht“) oder ein Bodenbohrkern. Hanganschnitte, z. B. bei Wegeböschungen (Abbildung 4) oder Beobachtungen an Wurzeltellern von geworfenen Bäumen können weitere interessante Aufschlüsse über den Boden liefern. Der typische Aufbau eines Waldbodens wird in Abbildung 5 beschrieben.
Abbildung 4. Forststraßenanschnitt (Quelle: BioSoil Erhebung Ch. Amann)

Abbildung 5. Bodenprofil
Auflagehumus (Nährstoffrecycling):
An der Bodenoberfläche, im sogenannten Auflagehumus, sammeln sich laufend abgestorbene Pflanzenteile wie Blätter, Nadeln und Zweige („Streu“) an, die sich im Laufe der Zeit zersetzen und organisches Material liefern. Die Umsetzung dieser organischen Substanz sorgt für eine kontinuierliche Nachlieferung von Nährstoffen im Boden und für einen weitgehend geschlossenen Nährstoffkreislauf im Wald. Der Abbau des angesammelten organischen Materials erfolgt durch Bodenlebewesen, wie z. B. Regenwürmer, Asseln, Springschwänze, aber auch Bakterien und Pilze, durch die das organische Material zunehmend auch in tiefere Bodenschichten eingearbeitet wird (Abbildung 6).
Sogenannte Mykorrhiza-Pilze im Boden stehen in einer kooperativen Beziehung mit den Wurzeln von Bäumen und helfen ihnen, Nährstoffe und auch Wasser aus dem Boden aufzunehmen. Bäume stellen den Pilzen hingegen Kohlenhydrate zur Verfügung. Die Abbaugeschwindigkeit der Bodenstreu hängt stark von den Standortverhältnissen (Bodenfeuchte, -temperatur und -chemie (z. B. pH-Wert)) und der Bewirtschaftung ab. Nadelstreu ist wegen seiner Inhaltsstoffe schwerer abbaubar als Laubstreu, wodurch der Boden auf reinen Nadelwaldstandorten in der Regel saurer ist als auf Laub- oder Mischwaldstandorten. Ein wichtiger Anzeiger dafür ist das Kohlenstoff-/Stickstoffverhältnis (C/N Verhältnis).
Abbildung 6.. Wussten Sie, dass in einer Handvoll gesundem Waldboden mehr Lebewesen sind als Menschen auf der Erde
Die Humusform (Mull, Moder, Rohhumus (Abbildung 7); Details s. Skriptum „Bodenanalyse leicht gemacht“) liefert Informationen darüber, wie rasch das Nährstoffrecycling abläuft und ermöglicht Rückschlüsse auf die Standortsverhältnisse vor Ort: So wird bei besonders günstigen Standortsverhältnissen (z. B. warme Tieflagen mit Laubwald) die Streu oft schon innerhalb weniger Jahre wieder vollständig abgebaut, während sich bei besonders ungünstigen Bedingungen (z. B. kühle Hochlagen mit Nadelwald) auch mächtige Humusauflagen entstehen können.

Abbildung 7. Humusformen. L, F und H sind Auflagehorizonte (s. Bild rechts). Der A-Horizont ist der oberste mineralische Boden, der mit Humus angereichert ist.
Der Mineralboden (Gesteinsverwitterung)
Unter dem Auflagehumus befindet sich der Mineralboden, der durch mineralische Bestandteile unterschiedlicher Größe wie Sand, Schluff und Ton („Feinboden“) geprägt ist. Der Feinboden umfasst Bodenpartikel unter 2 mm Korngröße. Zusammen mit größeren Bestandteilen wie Grus, Kies und Steinen („Bodenskelett“) bildet er die Bodentextur. Im obersten Bereich ist der Mineralboden durch dunkelgefärbten Humus geprägt, der durch die Bodenorganismen bzw. mit dem Sickerwasser aus dem darüber liegenden Auflagehumus eingebracht wird. Je dunkler gefärbt und je tiefer dieser sogenannte humose Mineralboden reicht, desto mehr Humus ist in ihm enthalten. Dieser Humus ist besonders wertvoll, da er die Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit des Bodens erhöht, zu einer stabileren Bodenstruktur beiträgt (Beispiel Krümelstruktur/Ton-Humus-Komplexe durch Regenwürmer!) und für eine bessere Bodendurchlüftung sorgt. Nach unten hin geht der Mineralboden typischerweise in den immer weniger verwitterten Gesteinsuntergrund (geologisches Ausgangsmaterial) über.
Eine Untersuchung des Waldbodens kann Ihnen dabei helfen, die Nährstoff-, Wasser- und Wärmeverhältnisse am Standort besser einzuschätzen und standortsgemäße Baumarten auszuwählen.
1.1.4 Vielfalt an Böden und Standorten in Österreich
1.1.4.1 Österreichs Waldböden
Die Waldböden in Österreich sind sehr vielfältig ausgeprägt, variieren stark in ihren Eigenschaften und weisen einen weitgehend ungestörten Profilaufbau auf. Vor allem das geologische Ausgangsmaterial (Abbildung 8), das Relief und das Klima in Österreich sind für die Entwicklung unterschiedlicher Bodentypen verantwortlich.

Abbildung 8.
Geologie von Österreich – Grundlage für die Bodenbildung.
Böden mit ähnlicher Bodenbildung und ähnlichen Horizonten werden zu Bodentypen zusammengefasst (z. B. Braunerde, Podsol, Gley). Sie weisen damit einen ähnlichen Entwicklungszustand auf und sind in ständiger Entwicklung. Zur Unterscheidung von Bodenhorizonten dient u.a. die Bodenfarbe, Textur und Struktur (mehr dazu im Skriptum „Bodenanalyse leicht gemacht“). Bodentypen sind nicht scharf abgegrenzt, es kommt auch oft zur Überlappung von Bodentypen.
Die Abbildungen 9 und 10 zeigen zwei unterschiedliche Bodentypen mit unterschiedlichen Voraussetzungen für die Baumartenwahl und Waldbewirtschaftung.
Bei der Braunerde ist zu beachten, dass die Bodeneigenschaften innerhalb dieses Bodentyps stark variieren können. Der häufigste Vertreter im österreichischen Wald ist die Typische Braunerde:
Abbildung 9. Bodenprofil Typische Braunerde
Merkmale:
- Verbraunter, verlehmter mittel- bis tiefgründiger Boden
- ausreichender bis guter Nährstoff-, Wasser- und Lufthaushalt, ohne Extreme
- Wurzelraum: gut durchwurzelbar für alle Baumarten
Typisches Vorkommen: weit verbreitet oft mit anderen Bodentypen vergesellschaftet seltener nur im Weinviertel und in den Kalkalpen. In den Trockengebieten unter 200 m Seehöhe fehlen sie.
Wissenswertes: Abbildung 9. Bodenprofil Typische BraunerdeVielseitiger Bodentyp mit unterschiedlichen Bodeneigenschaften. Biomassenentzug und Nadelholz-Monokulturen können auf nährstoffarmen Braunerden Versauerung (Podsolierung) auslösen oder verstärken.
Der häufigste Vertreter der wasserbeeinflussten Böden in Österreich ist der Pseudogley:
Abbildung 10. Bodenprofil Pseudogley.
Merkmale:
- bleicher, hellbrauner Oberboden
- marmorierter Stauhorizont (Bleich- und Rostflecken)
- punktförmige, dunkle Konkretionen (Eisen-/Mangan)
Typisches Vorkommen: Häufig auf Flysch tertiären Sedimenten Terrassen glimmerreichen Gesteinen Hausruckviertel Grazer Becken
Wissenswertes: Flachwurzler (wie Fichte) erhöhen das Betriebsrisiko Wasserverbrauch der Baumvegetation verringert Stauwassereinfluss. Infolge des extremen Wasserhaushalts (Wechsel zwischen Vernässung und Austrocknung) bieten diese wechselfeuchten Böden den Bäumen sehr ungünstige Wachstumsbedingungen.
BFW-Buchempfehlungen:
1.1.4.2 Österreichs Waldstandorte
Ein Waldstandort bezeichnet den natürlichen Lebensraum, in dem ein Wald aufgrund seiner Bodenbeschaffenheit, der Geländeform, des Klimas und anderer Umweltfaktoren wächst. Er ist eng mit dem Waldboden verbunden, da der Boden die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften des Standorts bestimmt, die das Wachstum und die Gesundheit aller Pflanzen beeinflussen. Innerhalb eines größeren geografischen Gebietes können verschiedene Waldstandorte mit unterschiedlichen Bedingungen existieren, die sich auf die Artenzusammensetzung, Struktur und das Wachstum des Waldes auswirken (Abbildung 11).

Abbildung 11. Verschiedene Standorte in einem geographischen Gebiet.
Wenn Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, sehen Sie hier einen Vortrag von Dr. Ernst Leitgeb, dem Institutsleiter für Waldökologie und Boden am BFW:
Kernaussagen
Standort = Zusammenfassung von Flächen, die dem Waldwachstum annähernd gleiche Bedingungen bieten.
=> Ähnliche Reaktion der Bestände auf waldbauliche Maßnahmen an einem Standort.
=> Österreich hat sehr viele verschiedene Standorte.
=> Standortkenntnisse sind Voraussetzung für eine nachhaltige und klimafitte Waldbewirtschaftung.