Kapitel 1.2

Boden- und standortskundliche Merkmale im Gelände erkennen und deuten

Der Waldboden als zentraler Standortsfaktor spielt eine wichtige Rolle für das ökologische Gleichgewicht. Bodeneigenschaften, wie Gründigkeit, Bodenart/Textur, Struktur und Humusgehalt sind entscheidend für den Nährstoff- und Wasserhaushalt von Böden und damit für das Wachstum und die Gesundheit des Waldes. 

Da verschiedene Baumarten unterschiedliche Ansprüche bezüglich ihrer Nährstoff-, Wasser- und Wärmeversorgung haben, sind die Eigenschaften des Waldbodens, neben dem klimatischen Verhältnissen daher entscheidend, ob ein Standort für eine Baumart geeignet ist. Oder anders ausgedrückt, an welcher „Produktionsstätte“ z. B. Kiefer und an welcher Ahorn produziert werden kann. 

Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die Ansprüche einiger Baumarten dar:

Tabelle 1. Bodenansprüche von Edellaubhölzern

Die Basensättigung bezieht sich darauf, wie viel von bestimmten Mineralstoffen, insbesondere Basen wie Calcium und Magnesium, im Boden vorhanden sind. Diese Mineralstoffe sind wichtig für das Wachstum von Pflanzen, einschließlich Bäumen. Einige Bäume bevorzugen Böden mit höherer Basensättigung, während andere mit weniger auskommen. Der pH-Wert beschreibt (vereinfacht gesagt) den Säuregrad des Bodens, bei einem Wert unter 7 ist man bereits im sauren Bereich. Edellaubhölzer bevorzugen oft einen neutralen (7) bis leicht sauren (6) Bereich, daher sollte das nötige ph-Minimum für die Baumart beachtet werden, vor allem wenn das Betriebsziel Wertholz ist. Das Bodenskelett ist relevant für die Wasserverfügbarkeit, je mehr Skelett (Grobgestein), desto schlechter die Wasserversorgung, da einerseits die Wurzeln schlechter ans Wasser herankommen und andererseits weniger gespeichert werden kann.

Im Nachfolgenden erhalten Sie eine Anleitung, die Ihnen dabei hilft, die wesentlichen boden- und standortskundlichen Eigenschaften zu erkennen, um Rückschlüsse auf die Nährstoffversorgung, Wasserverfügbarkeit und Wärmebedingungen Ihres Waldes ziehen zu können.

1.2.1 Großklima

Österreich liegt zum Großteil im Bereich der gemäßigt feuchten Klimazone mit einer ausgeprägten kalten Jahreszeit. Im Hochgebirge treten extreme Gebirgsklimata auf; im äußersten Osten unseres Landes gibt es ein gemäßigt trockenes Klima. Der sichtbare Klimawandel zwingt aber vorausschauend zur standortgerechten Baumartenwahl! 

Eine große Herausforderung für die Waldbewirtschaftung stellt der Klimawandel dar. Dieser zeigt sich in einer Steigerung der Durchschnittstemperaturen und einer Verschiebung der Niederschlagsverhältnisse. 

Um dem Klimawandel erfolgreich begegnen zu können, ist es wichtiger standortsangepasste Baumarten in einer geeigneten Baumartenmischung zu forcieren. 

Wichtig: Großraumklima ist keine unveränderliche Größe („stabiler Standortsfaktor“) mehr!

1.2.2 Höhenstufen

Höhenstufen stellen in vertikaler Richtung aufeinanderfolgende Klima- und Vegetationsgürtel dar. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Charakterisierung von Wäldern. Die klimatischen Bedingungen, insbesondere Temperatur und Niederschlag, ändern sich mit der Höhe, was wiederum Auswirkungen auf die Vegetation hat. Mit zunehmender Seehöhe nimmt die Lufttemperatur ab (etwa 1°C pro 100 m), so dass diese für wärmebedürftige Baumarten eine wichtige Begrenzung darstellt. Innerhalb der natürlichen Waldgesellschaften lassen sich deutliche seehöhenabhängige Waldstufen feststellen (s. Abbildung 10). In Folge des Klimawandels werden sich jedoch Verschiebungen der Waldgesellschaften in höhere Lagen ergeben.

Abbildung 12. Höhenstufengliederung der Nördlichen Randalpen (waldwissen.net)

Innerhalb der einzelnen Wuchsgebiete können die wichtigsten natürlichen Waldgesellschaften für die jeweiligen Höhenstufen und Standorte angegeben werden. Dies ist unter anderem im Hinblick auf die Baumartenwahl von Bedeutung.

Damit besteht auch die Möglichkeit, Vermehrungsgut innerhalb der gleichen natürlichen Waldgesellschaft zu übertragen. Auch bei Transfer von Herkünften aus einem benachbarten Wuchsgebiet erleichtert der Vergleich der natürlichen Waldgesellschaften und der Höhenstufe des Herkunfts- und Verwendungsortes die Abschätzung der Eignung des Pflanzgutes.

1.2.3 Hanglage und Hangneigung

Abbildung 13. Einfluss von Hangneigung und Hangrichtung („Zeitgemäße Waldwirtschaft“, Krondorfer et al. 2022)

Die Lage eines Waldstandortes am Hang, die jeweilige Geländeausformung sowie die Himmelsrichtung wirken sich entscheidend auf die Standorteigenschaften aus.

  • Im geneigten Gelände befinden sich im Allgemeinen die tiefgründigeren und frischeren Standorte am Unterhang und die flachgründigeren, trockeneren am Oberhang. Oft ist auch eine Nährstoffverlagerung vom Oberhang zum Unterhang zu beobachten, die oft durch die Bodenvegetation angezeigt wird.
  • je steiler ein Hang ist, desto geringer ist die Frostgefahr, da kalte Luft abfließt (s. Abb. 4). Steilheit und flachgründige Böden sorgen für eine erhöhte Erosionsgefahr. Auf diesen extremen Standorten stocken oft Standortschutzwälder, die mit besonderer Vorsicht zu bewirtschaften sind. 
  • In Mulden kann die Kaltluft zusammenfließen und Kälteseen mit hoher Frostgefahr bilden. In der kalten Jahreszeit kann sich dadurch eine Inversionswetterlage bilden (obere Luftschichten sind wärmer als untere Luftschichten). 
  • Kuppen sind meist dem Wind ausgesetzt und daher trockener als Mulden und Gräben, außerdem wird die Streu abgeweht. 
  • Südhänge sind durch starke Sonneneinstrahlung warm und trocken. Wenn die Beschattung durch den Waldbestand fehlt, neigen die Standorte zur Austrocknung. Durch starke Sonneneinstrahlung entsteht Thermik (Wind). im Spätsommer und Spätwinter können große Temperaturextreme durch Sonneneinstrahlung zu Wachstumsstress (Trockenstress) für Pflanzen führen. 
  • Nordhänge weisen meist hohe Bodenfrische und Luftfeuchtigkeit auf, was sich auf das Baumwachstum günstig auswirkt. Andererseits ist die Gefährdung durch Schnee und Frost größer, 
  • West- und Osthänge weisen eine Zwischenstellung auf.

1.2.4 Bestandesklima

Das Großklima wird kleinflächig durch die Lage, aber auch durch die Waldbewirtschaftung beeinflusst. Jeder Waldbestand hat eigene kleinklimatische Gegebenheiten. Durch die Beschattung ist es im Wald kühler als im Freiland. Es herrscht mehr Luftruhe und durch die Verdunstung eine höhere Luftfeuchtigkeit. Das Bestandesklima ist ausgeglichener als das Freilandklima. Es hängt von der Baumartenmischung, dem Bestandesalter, dem Bestandesaufbau und der Waldpflege ab. 

Durch richtige Waldbewirtschaftung muss versucht werden, das Bestandesklima so zu erhalten, dass optimale Wuchsbedingungen gegeben sind. So gelangen z. B. infolge von Durchforstungen Licht, Wärme und Niederschläge auf den Boden, was die Bodenorganismen begünstigt. Die ökologischen Auswirkungen von Durchforsten finden sich bei Leitgeb und Englisch (2014) (zu finden in Kapitel 4 „Durchforstungen“).  Durch die Erhaltung eines geschlossenen Bestandesrands wird Austrocknung des Bodens durch Wind und Sonneneinstrahlung verhindert, und dies schützt besonders die Randbäume, vor allem Buchen.

1.2.5 Potenziell natürliche Waldgesellschaften

Österreich  ist in neun Wuchsgebiete unterteilt, die auf bestimmte klimatische und geografische Bedingungen hinweisen. Die Kenntnis der Standorte und ihrer potenziell natürlichen Waldgesellschaften sowie ihre räumliche Verteilung ist eine Grundvoraussetzung für jede ökologisch orientierte Waldbewirtschaftung. Der Begriff „potenziell natürliche Waldgesellschaft“ bezieht sich auf die Waldökosysteme, die sich ohne menschliche Eingriffe in einem bestimmten geografischen Gebiet entwickeln würden. Man kann diese erst ableiten, wenn alle für einen Standort relevanten Eigenschaften (Wasser, Nährstoff, Wärme) bestimmt wurden. In Österreich liegen nur für wenige ausgewählte Mustergebiete (detaillierte forstliche) Standortskarten vor. Eine Orientierung an den Wuchsgebieten (s. Abbildung 17) und ihren Beschreibungen zu Lage, Klima, Geologie, Böden und natürlichen Waldgesellschaften kann jedoch bei der Klassifizierung der Standorte behilflich sein. Die potenziell natürlichen Waldgesellschaften in Österreich sind eng mit diesen Wuchsgebieten verbunden und variieren je nach Höhenlage, Klima und Bodenbeschaffenheit. Ein Beispiel für eine solche Waldgesellschaft ist der hochalpine Lärchen-Zirben-Wald, der in den alpinen Regionen vorkommt und an die extremen Bedingungen angepasst ist. Andere Beispiele sind die Fichtenwälder in den subalpinen Gebieten, Buchenwälder in den montanen Regionen und Eichen-Kiefern-Wälder in den pannonischen Gebieten.

Abbildung 14. Die neun österreichischen Hauptwuchsgebiete

Wenn Sie mehr über das Wuchsgebiet, in dem sich Ihr Waldgrundstück befindet, erfahren möchten, dann klicken Sie hier. Für Gis-Software-Anwender gibt es einen Downloadbereich. Eine übersichtliche Beschreibung aller Wuchsgebiete und eine Karte zum Downloaden finden sie hier

1.2.6 Zeigerpflanzen

Pflanzen, die am Waldboden wachsen, können Hinweise auf die potenziell natürliche Waldgesellschaft geben. So wie Bäume, hat auch die Bodenvegetation bestimmte Ansprüche an den Standort. Anhand der Arten, die am Standort gemeinsam vorkommen, können daher meist gute Rückschlüsse darüber gezogen werden, welche Bäume sich hier wohl bzw. unwohl fühlen würden.

Es lohnt sich also, ein paar typische Zeigerpflanzen kennenzulernen, um auf einfache Weise einen ersten Eindruck vom Nährstoff-, Wasser- und Wärmehaushalt des Waldes zu bekommen.

Abbildung 15. Waldmeister, eine Zeigerpflanze für gute Nährstoff- und Wasserversorgung, entwickelt beim Welken einen typischen Cumarin-Geruch (Quelle: Pixabay/Hans)

Abbildung 16. Leberblümchen weist auf Karbonat im Boden hin, blüht im Frühling als eine der Ersten (Quelle: Pixabay/Manfred Antranias Zimmer)

Abbildung 17. Sumpfdotterblume, kennzeichnend für nasse Schwarzerlen-Standorte (Quelle: BFW/Schaufler)

So gibt es beispielsweise zahlreiche Zeigerpflanzen, die auf eine gute Nährstoffversorgung des Standorts hinweisen, wie z.B. Efeu (Hedera helix), Wald-Erdbeere (Fragaria vesca), Goldnessel (Galeobdolon luteum), Kriech-Günsel (Ajuga reptans), Einbeere (Paris quadrifolia), Waldmeister (Galium odoratum), Kleb-Salbei (Salvia glutinosa), Kleeblatt-Schaumkraut (Cardamine trifolia), Sanikel (Sanicula europaea), Giersch (Aegopodium podagraria), Lungenkraut (Pulmonaria officinalis), Haselwurz (Asarum europaeum), Seidelbast (Daphne mezereum), Bingelkraut (Mercurialis perennis) oder Zyklame (Cyclamen purpurascens). Auf eine schlechte Nährstoffversorgung bzw. Bodenversauerung kann hingegen z.B. ein dominantes Vorkommen von Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), Drahtschmiele (Avenella flexuosa), Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) oder Besenheide (Calluna vulgaris) hinweisen.

Online
Kurs
Menü