Kapitel 1.3

Bedeutung der Standorte für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung

1.3.1 Waldstandorte im Klimawandel

Die Waldökologie hat lange Zeit angenommen, dass die manche Standortfaktoren gewissen Schwankungen unterliegen, aber grundsätzlich innerhalb einer Umtriebszeit von 100 bis 150 Jahren unverändert bleiben. Aufgrund des Klimawandels ist diese Annahme für den Standortsfaktor „Klima“ jedoch nicht mehr zutreffend.

Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass eine Baumart, die jetzt am Standort gut wächst, dies auch bei klimatischen Bedingungen, die in den nächsten Jahrzehnten erwartet werden, tun wird. Daher spielen Boden- und Standortsverhältnisse eine besondere Rolle bei der Wahl klimafitter, standortstauglicher Baumarten. Durch den Klimawandel wird es zwingender notwendig, die Baumarten anhand der voraussichtlichen Veränderung des Standorts in den kommenden 100 Jahren auszuwählen = dynamische Standortskartierung („dynamische Waldtypisierung“). Das kann u.U. auch dazu führen, dass sich Waldstandorte im Laufe der Zeit ändern können.

Gleich bleibt (trotz Klimawandel): 

  • Relief und Geologie
  • Bodentypen, Bodenbildungsprozesse
  • Bodenarten (Korngrößenspektrum)

Veränderungen wahrscheinlich bei:

  • Großraumklima
  • Bodenkohlenstoff, Humus
  • Wasserhaushalt
  • Nährstoffhaushalt: Nachlieferung (Modellierungen!)


 Die klassische Standortskartierung wird durch die dynamische Waldtypisierung ersetzt, die veränderliche Standortzustände berücksichtigt und eine praxisnahe Beschreibung und Kartierung der Waldtypen unter aktuellem und zukünftigem Klima ermöglicht.

1.3.2 Entscheidungsgrundlagen für die Waldbewirtschaftung

1.3.2.1 Baumartenwahl – Beispiel Anbaurisiko der Fichte

Abbildung 18. Flachwurzelteller der Fichte konnte Wind nicht standhalten. (BFW Anna-Maria Walli)

  Die Beurteilung des Anbaurisikos der Fichte hängt stark von den klimatischen Rahmenbedingungen ab, nämlich von der Lufttemperatur und dem Niederschlag. Je nach den Witterungsverhältnissen kommt es auf solchen Böden zu Trockenstress (wechseltrockene Böden) und/oder zu einer hohen Labilität der Bestände bei Vernässung. Auf diesen Böden kann ein gutes Wachstum in jungen Jahren über spätere Stabilitätsprobleme hinwegtäuschen, die sich auch auf den Folgebestand auswirken können, wie zum Beispiel durch eine starke Vernässung nach einem großflächigen Windwurf.

 In Abbildung 19 ist dargestellt, wie hoch das Anbaurisiko der Fichte ist unter einem jährlichen Niederschlag in Kombination mit der jährlichen Temperatur am gegebenen Standort (Temperatursumme = tägliche Durchschnittstemperatur für alle 365 Tage des Jahres zusammengezählt). So ist z.B. bei einem jährlichen Niederschlag von 600 mm und einer jährlichen Temperatursumme von 3050 °C das Anbaurisiko sehr hoch. Das ist beispielsweise der Fall in Tallagen im Osten Österreichs. Wo ein jährlicher Niederschlag von 900 mm oder mehr und einer Temperatursumme von weniger als 2600 °C vorliegen, wie z. B. in den östlichen Zwischenalpen in höheren Lagen, ist das Anbaurisiko geringer. In Hinblick auf den Klimawandel werden sich Risiken an bereits ungünstigen Standorten noch verschärfen und auch Lagen mit bisher geringem Risiko können zunehmend risikobehafteter werden. Es gilt also, Risiken zu vermeiden, wo es geht. Dort wo Laubbaumarten natürlich vorkommen, sollte diese auch einem bereits vorhandenen Fichtenbestand beigemischt werden, um die Risiken zu reduzieren. 

Abbildung 19. Anbaurisiko der Fichte je nach jährlichem Niederschlag und Temperatursumme

 Die Beimischung von Buche kann in Fichtenbeständen viel zur Ankurbelung des Nährstoffkreislaufes (vor allem Kalzium) beitragen, sie schließt tiefere Bodenbereiche gut auf. Voraussetzung ist allerdings, dass im Unterboden genügend Nährstoffe vorhanden sind (Schume et al., 2004). Auf Böden mit schwerer Bodenart können vor allem Eiche und in höheren Lagen Tanne mit entsprechenden Baumartenanteilen zur Bestandesstabilität beitragen. Auf ausgeprägten Pseudogleyen sollte auf die Fichte überhaupt verzichtet werden. Schwere, tonreiche Böden (Pseudogley, s. Bodentypen) führen unweigerlich zu einer ausgeprägten Flachwurzeligkeit und zu hoher Instabilität. In trockenen Regionen (< 800 mm Niederschlag) bringt eine Beimischung der Buche keine Vorteile für die Wasserversorgung der Fichte. Die Konkurrenz um das Wasser kann sogar zu einem Nachteil für die Fichte führen und ihr Trockenstressrisiko erhöhen. Bei geringen Niederschlägen zusammen mit hohen Temperaturen sollte man den Anbau der Fichte generell überdenken. Auch in Hinblick auf mögliche Klimaänderungsszenarien wäre man damit auf der „sicheren Seite“.

1.3.2.2 Weitere Entscheidungsgrundlagen

Neben der Baumartenwahl kann die Standortskunde noch in anderen Bereichen als Entscheidungshilfe dienen:

  • => (groß-)flächige Nutzungsformen
  • => Intensität des Biomassenentzuges
  • => Sanierung historischer Landnutzungen
  • => Befahren des Waldbodens
  • => Erschließung und Forststraßenbau

 

Weitere Informationen zum Bodenschutz finden Sie hier:

Kernaussagen

Österreich hat eine Vielzahl an Waldstandorten (Geologie, Relief), die es bei der Bewirtschaftung zu beachten gilt.

Die Standortkunde lotet die naturräumlichen Voraussetzungen ab und gibt ökologische Empfehlungen bzw. eine Risikoabschätzung für die Waldbewirtschaftung; sie hat aber keinen verpflichtenden Charakter (vgl. ForstG)

Standortskundliches Basiswissen im Gelände ist unentbehrlich für eine nachhaltige, klimafitte Waldwirtschaft

Standorts- und bodenkundliche Befunde sind einfach und rasch im Gelände zu erfassen

Auf dieser Basis können neu entwickelte standortskundliche Tools (dynamische Waldtypisierung) wertvolle Entscheidungshilfen für die Waldwirtschaft im Klimawandel geben

Online
Kurs
Menü