Kapitel 6.3

Biodiversität

6.3 Wie schaffe ich es mit recht einfachen Mitteln die Biodiversität in meinem Wald zu erhöhen?

Als Waldbesitzer:in sollte man sich bewusst sein, dass jede Veränderung, die am Wald vorgenommen wird, sich in irgendeiner Art und Weise (ob vorteilhaft oder nachteilig) auf die Biodiversität des Waldes auswirken wird. Den Wald einfach „in Ruhe zu lassen“ wäre zwar bequem, ist allerdings auch nicht die beste Lösung. Durch den Klimawandel und ohne fachgerechte Pflege verlieren Einzelbäume an Vitalität und Stabilität und damit auch der gesamte Bestand. Dadurch sind die Bäume anfälliger gegenüber Schädlingen und Naturkatastrophen. Die Biodiversität in der Bodenvegetation und der Bodenfauna würde sinken, wodurch sich die Nährstoffumsetzung und Humusbildung im Boden verringern würde. 

Entscheidend ist es also, gut durchdachte Handlungen zu setzen, die die Waldgesundheit langfristig am besten fördern können. 
Natürlich sind Sie nicht auf sich allein gestellt. Das ÖKL bietet waldökologische Betriebsgespräche an, Informationen dazu finden unter www.biodiversitaetsmonitoring.at/waelder.

6.3.1 Bei der Baumartenwahl neben den wirtschaftlichen auch unbedingt ökologische Aspekte berücksichtigen

  • Förderung der Baumartenvielfalt durch Belassen von seltenen Arten wie Feldahorn, Speierling, Mehlbeere, Eibe www.herkunftsberatung.at
  • Eschen, sofern standorttaugliche Herkünfte verfügbar sind, eine Chance geben (siehe Video unten)

Die Esche sollte unbedingt erhalten bleiben. Ihre breite physiologische Anpassungsfähigkeit ermöglicht es ihr, in verschiedenen Bodentypen und Höhenlagen zu gedeihen. Die Einmischung von Eschen in Mischbestände fördert die Stabilität der Wälder und sichert die wirtschaftliche Basis der Forstbetriebe. Ihr Fortbestand ist auch für das Überleben von Arten wie dem seltenen Eschen-Scheckenfalter von entscheidender Bedeutung. Lebensraumtypen, die von der Esche abhängen, sind bereits als gefährdet oder schützenswert eingestuft.

Das BFW forscht in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien an der Resistenzzüchtung von Eschen in ganz Österreich – mehr dazu erfahren Sie im Projekt „Esche in Not“

Abbildung 3. Glückliche Eschen (Quelle BFW/Anna Walli)
Abbildung 4. Probenentnahme bei Eschenjungpflanzen (Quelle BFW/ Clemens Schmiedbauer)

  • Vorsicht bei Hybrid-Baumarten. Hybride sind Kreuzungen von verwandten Arten. In Österreich gibt es v.a. die Hybrid-Pappel (P. x canadensis) (Mischling aus der heimischen Schwarzpappel (Populus nigra) und einer Kanadischen (Populus deltoides)) und die Hybrid-Lärche (Larix x eurolepis) (eine Kreuzung zwischen unserer einheimischen Europäischen Lärche (Larix decidua)) und der japanischen Lärche (Larix kaempferi). Wirtschaftlich bringen sie zwar Vorteile durch ihre Raschwüchsigkeit und Resistenz gegen Krankheitserreger, aber bei der Hybrid-Pappel hat sich in unseren naturnahen Auwäldern schon gezeigt, dass sie sich negativ auf die Pflanzen- und Tierwelt auswirkt, denn sie kann aufgrund ihrer raschen Verbreitung und schnellen Wachstumsrate andere Pflanzenarten im Wettbewerb um Licht, Wasser und Nährstoffe unterdrücken, was das Gleichgewicht des Ökosystems stört. Das Umweltbundesamt empfiehlt deshalb einen völligen Verzicht auf Hybrid-Pappeln.

Wer sich trotzdem für diesen Hybrid entscheidet, sollte die Verbreitung und das Wachstum der Hybridpappel überwachen und geeignete Managementstrategien entwickeln, um sicherzustellen, dass die ökologische Vielfalt und das Gleichgewicht des betroffenen Ökosystems erhalten bleiben (Maßnahmen zur Kontrolle der Hybridpappel, Förderung der natürlichen Entwicklung anderer einheimischer Arten).

  • Da bei der Hybrid-Lärche die Auswirkungen auf die Biodiversität nicht klar sind, empfiehlt das BFW diese nur auf schlechten bis mittleren Standorten und ausschließlich außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes der einheimischen Lärche. Das sind im Wesentlichen die Wuchsgebiete 8.1, 8.2, 9.1, 9.2, 6.2 sowie die kolline und submontane Stufe der Wuchsgebiete 7.1 und 7.2.. Auf sehr guten Standorten sollte – zumindest bis ergänzende Versuchsergebnisse vorliegen – auf den Anbau der Hybridlärche verzichtet werden.
Abbildung 5. Hybridpappel in den Donauauen (Quelle: Nationalpark Donauauen (donauauen.at))

6.3.2 Biotope schaffen

6.3.2.1 Der Wald muss nicht immer „astrein“ sein

  • Belassen von 5 bis 10 vorherrschenden Bäumen pro Hektar mit großen Kronen
  • Förderung und Nutzung der Naturverjüngung
  • Förderung des Totholzanteils durch Belassen von einigen Bäumen pro Hektar mit schlechter HolzqualitätFördert Totholz Forstschädlinge? Bereits abgestorbenes Holz ist für die gefürchteten Borkenkäferarten ungenießbar. Sie wollen frische, lebende Bäume. Altes, seit Jahren im Wald stehendes oder liegendes Totholz ist daher in Bezug auf diese Forstschädlinge ungefährlich, aber wertvoll für die Nützlinge und die gesamte Nahrungskette. Gefährlich für eine Massenvermehrung ist die kurze Phase des Befalls und des Absterbens der Bäume. Diese befallenen Bäume müssen dann rasch aus dem Bestand entfernt werden.

Aber wie soll man dann zu Totholz kommen, wenn das Sterben nicht gestattet ist?

Da diesbezüglich besonders die Fichte Probleme verursacht, sollte die Anreicherung von Totholz mit anderen Baumarten erfolgen, z.B. mit Weichlaubhölzern (Salweide, Zitterpappel u. a.), die als raschwüchsige Baumarten kein hohes Alter erreichen, aber als Biotopholz und insbesondere als Höhlenbäume gerne genutzt werden.

  • Belassen von Wohnräumen wie Ameisenhaufen oder Höhlenbäumen (siehe Abb. 9 u. Abb. 10)

 

Abbildung 6. Veteranenbaum (Quelle BFW)
Abbildung 7. Totholz und Pilze sind unverzichtbar für einen gesunden Wald (Quelle Marianne Schreck)
Abbildung 8. Liegendes Totholz mit Baumschwamm (Quelle BFW)
Abbildung 9. Habitatbaum für den Specht (Quelle BFW, Georg Frank) 
Abbildung 10. Ameisenbau (Quelle BFW / FAST Ossiach)

6.3.2.2 Trittsteinbiotope

  • Trittsteinbiotope sind – mehr oder weniger regelmäßig – verteilte Flächen, deren Standortbedingungen zahlreichen Tier- und Pflanzenarten einen zeitweisen Lebensraum bieten. (s. Abb. 11 und Video)

Eine Vernetzung von ansonsten isolierten Lebensräumen und die Ausbreitung von Arten mit einer begrenzten Reichweite wird dadurch ermöglicht. Für viele Arten – darunter beispielsweise Säugetiere, Insekten, Moose und Flechten – stellen Trittsteinbiotope Rückzugsorte dar.

Das BFW hat ein Trittsteinbiotop-Programm gestartet, in dem Waldbesitzer:innen geeignete Flächen melden konnten, die in weiterer Folge zusammen mit dem BFW eingerichtet werden. Das Projekt ist eines der größten Projekte mit Bürger:innen-Beteiligung in Österreich.

Unterschiedliche Landschaftsstrukturen wie Hecken, Streuobstwiesen, Solitärbäume, Waldränder, Fließ- und Stillgewässer sind Lebensräume für verschiedene Arten und dienen in der Natur gleichzeitig als Trittsteinbiotope. Als grüne Infrastruktur verbinden sie größere Habitate wie Schutzgebiete miteinander und verbessern so die Ausbreitung von Populationen und deren Genpool. In einer strukturreichen Landschaft kommt es zu einer höheren Nischenvielfalt, welche den Ansprüchen einer Vielzahl verschiedener Lebensgemeinschaften gerecht wird und zum Erhalt der Biodiversität beiträgt.

Die „Schaffung von räumlicher Strukturvielfalt auf Landschaftebene“ kann auf Betriebs- und Regionenebene umgesetzt werden. Um vorhandene Strukturen zu erhalten und neue Strukturen zu schaffen, kommt es vor allem auf die Förderung und Berücksichtigung bei der Bewirtschaftung an. Ökologisch wertvolle und zu bewahrende Landschaftsstrukturen im Wald sind vor allem Waldränder, Bachläufe, Kleinstgewässer, Moore, Habitatbäume, Baumveteranen, Waldweiden, Sonderbiotope oder historische Waldstandorte. Innerhalb geschlossener Waldgebiete kann Strukturvielfalt auf Landschaftsebene durch unterschiedlich alte Bestände sowie mit unterschiedlichen Bestockungen gewährleistet werden.

Weitere Informationen zum Trittsteinbiotop-Programm

Abbildung 11. Trittsteinbiotope (Quelle BFW)


Unter Biodiversität versteht man die genetische Vielfalt, die Vielfalt von Arten und Lebensräumen. Marcela van Loo, Genetikerin am Bundesforschungszentrum für Wald, geht auf diese verschiedenen Dimensionen der Biodiversität ein. 

6.3.2.3 Forststraßen zur Förderung von Lebensräumen (Restoration) gezielt nutzen

Forststraßen sind aus der heutigen Waldbewirtschaftung nicht mehr wegzudenken. Österreich hat ein sehr dichtes Forstwegenetz von 45 Laufmetern pro Hektar (BML). Dass ihre Böschungen und Nebenflächen auch wertvolle Lebensräume, ja sogar richtige Biodiversitäts-Hotspots sein können, wissen die Wenigsten. 

Über die geringere Beschattung, die typisch für Forststraßen und -böschungen ist, freuen sich ganz besonders licht- und wärmeliebende Arten, wie etwa Eidechsen. Hier finden sie genügend Blöcke und Schutt, um sich zu wärmen oder zu verstecken.

Abbildung 12. Forststraße. Quelle: BFW/Anna-Maria Walli

Auch zahlreiche Vertreter der Insektenwelt profitieren von der höheren Sonneneinstrahlung an der Forststraße. Ob es nun die Wärme selbst ist, das Licht, oder auch das reichere Angebot an Blütenpflanzen – sicher ist jedenfalls, dass die Lebensbedingungen an der Forststraße vielen Insekten zusagen.

Abbildung 13. Alpensalamander „Angela“ lässt grüßen (Quelle BFW/ Anna-Maria Walli)

Bei der Gestaltung und Pflege von Forststraßen sollte man zwei Zielrichtungen unterscheiden: 

Wälder, die eine besondere Bedeutung für die biologische Vielfalt haben, wie zum Beispiel bodenstreu- und totholzreiche Bestände, in denen es feucht und kühl ist, können in ihrem Kleinklima durch Forststraßen gestört werden. Hier wäre es aus ökologischer Sicht besonders wünschenswert, Forststraßen, wenn überhaupt, dann nur besonders schonend und mit möglichst geringer Zerschneidungswirkung zu errichten. 

Die Zerschneidungswirkung von Forststraßen kann durch geringe Fahrbahnbreite, geländeangepasste Bauweise, geschlossene Überschirmung sowie durch viel Totholz und Bodenstreu in Straßennäheverringert werden. 

6.3.2.4 Besondere Strukturelemente für Amphibien – Lacken, Gräben und Fahrspuren

In Waldgebieten sind Stillgewässer meist seltene, aber sehr bedeutende Lebensräume. Außerhalb von Aubereichen sind Stillgewässer in Waldgebieten meist künstlich angelegt, sei es als Wildtränke oder als Fischteich. Viele Kleingewässer verdanken ihre Entstehung der Anlage von Forststraßen und Rückewegen. Zeitweise wasserführende Fahrspuren und wegbegleitende Gräben bieten Laichmöglichkeiten für Feuersalamander, Molche oder Frösche. Beim Bau oder der Sanierung von Forststraßen kann man mit relativ geringem Aufwand auch kleine Tümpel und andere Feuchtbiotope anlegen. Diese Kleingewässer sind durch jahreszeitliche Schwankungen des Wasserstandes gekennzeichnet und es ist durchaus kein Nachteil, wenn sie in niederschlagsarmen Zeiten oder während sommerlicher Hitzeperioden austrocknen. Für Amphibien – auch Lurche genannt – sind die stehenden Gewässer von besonderer Bedeutung.

Abbildung 14. Tümpel an Forststraße Tümpel im Begleitgraben von Forststraßen, ob zufällig entstanden oder angelegt, sind vielerorts wertvolle Laichgewässer und Trittsteinlebensräume für Amphibien und andere gewässergebundene Tiere. 
Abbildung 15. Der Grasfrosch kann ein weites Spektrum an Laichgewässern nutzen, so laicht er auch in kleineren Laichgewässern wie z. B. in wasserführenden Gräben entlang von Forststraßen (Quelle: Wikimedia Commons/5snake5)

6.3.2.5 Prozesschutz – Verzicht auf forstliche Nutzung

Besondere, ausgewählte Waldgebiete, die repräsentative und besonders schützenswerte Lebensräume oder Lebensräume für geschützte Arten darstellen, sollten ungestört bleiben. Dies kann sich auf die allgemeine oder saisonale Aufgabe der Bewirtschaftung beziehen.

Sie können auf kleineren, geschützten Parzellen auf Bestandesebene, wie solitären Habitatbäumen, Habitatbaumgruppen und geschützten Sonderbiotopen, ein Netzwerk von Flächen kreieren, in denen sich die Natur ungestört entwickeln kann. 

Weiter informiert bleiben

  • Es gibt immer wieder neue und spannende Projekte im Bereich Biodiversität, für die interessierte Waldbesitzer:innen gesucht werden. Die Teilnehmer:innen erhalten meist eine Förderung, wenn sie sich für einen gewissen Zeitraum dem Projekt verpflichten. Recherchieren Sie regelmäßig im Internet, oder folgen Sie dem BFW auf Facebook.
  • Weitere Infos zu diesem Kapitel gibt es in den Waldsteckbriefen und im Maßnahmenkatalog (gratis zum Download verfügbar)
  • Für Lernfreudige haben wir auch einen eigenen Waldbiodiversitäts-Onlinekurs gestaltet.

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