
Kapitel 6.1
Biodiversität
6.1 Was sind Schlüsselfaktoren, die Biodiversität im Wald beeinflussen?
Man unterscheidet zwischen äußeren und inneren (forstwirtschaftlichen) Einflüssen.
Äußere Einflüsse:
- Der Klimawandel bedroht die Biodiversität der Wälder, indem er direkte Auswirkungen auf Arten und ihre Lebensräume hat. Er begünstigt bestimmte Arten, während andere an Häufigkeit verlieren oder sogar lokal aussterben können, und führt zu Veränderungen in der Zusammensetzung und den Funktionen von Gemeinschaften, was zu unvorhersehbaren neuen Interaktionen zwischen Arten führt.
- Fragmentierung der Lebensräume: Die Fragmentierung von Waldgebieten durch Infrastrukturprojekte wie Straßen, Siedlungen und landwirtschaftliche Flächen kann die Biodiversität im Wald erheblich gefährden, da sie die Wanderung und den Austausch von Arten zwischen verschiedenen Waldgebieten behindert. Dies führt zur Isolation von Populationen einer Art und erhöht letztendlich das Risiko des Aussterbens.
- Umweltverschmutzung: Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung durch industrielle Aktivitäten, landwirtschaftliche Praktiken und den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden beeinträchtigen bereits die Gesundheit von Waldökosystemen und führen zur Dezimierung von Pflanzen- und Tierarten. Die Überdüngung von Waldböden durch Stickstoffeintrag aus der Luft kann dazu führen, dass bestimmte Pflanzenarten wie Flechten und Pflanzen, die im Unterholz wachsen, verloren gehen. Das hat zur Folge, dass auch andere Tierarten, die von diesen Pflanzen abhängig sind, wie z. B. spezielle Insekten, ihren Lebensraum verlieren. Darüber hinaus führt die Versauerung des Waldbodens durch Luftverschmutzung dazu, dass ganze Nahrungsnetze im Wald gestört werden, was beispielsweise dazu führen kann, dass weniger Schnecken vorhanden sind, was wiederum die Fortpflanzung von Vögeln beeinträchtigen kann.
- Wildschäden: Durch den Verbiss von seltenen Baumarten und Mischbaumarten geraten Lebewesen, die von diesen Arten abhängig sind, in Bedrängnis. Außerdem wird die Anpassung an den Klimawandel erschwert (s. Kapitel 3 „Wildschäden“)
- Biologische Invasionen (eindringende Arten) stellen weltweit eine Hauptbedrohung für die Biodiversität in Wäldern dar, indem sie Schäden durch Parasitismus, Konkurrenz, Umweltveränderungen und Krankheitsübertragung verursachen. Die Globalisierung von Handel und Reisen trägt zur Verbreitung nicht-einheimischer Arten bei. Besonders problematisch sind invasive Schädlinge und Krankheitserreger wie die Verursacher der Holländischen Ulmenwelke oder des Eschentriebsterbens, da sie Aussterbekaskaden für von ihnen abhängige Arten auslösen können.
Innere Einflüsse:
- Die Art und Weise, wie Wälder bewirtschaftet werden, beeinflusst ihre Struktur und Vielfalt stark, zum Beispiel durch die Größe der Baumkronenlücken, die Menge an abgestorbenem Holz im Wald und die Auswahl der Baumarten. Besonders problematisch ist eine intensive Nutzung und Vereinheitlichung der Waldstruktur und -zusammensetzung, ähnlich wie in der Landwirtschaft. Ein Beispiel dafür ist der Rückgang einiger Arten, die viel Licht benötigen und früher in traditionellen Waldwirtschaftssystemen wie dem Niederwald häufig waren, nach der Umstellung auf Hochwälder.
- Abholzung und Waldrodung: Global betrachtet, nimmt die Abholzung von Wäldern für landwirtschaftliche Flächen (besonders für globale Futtermittelproduktion), Siedlungsgebiete, Bergbau und Holzwirtschaft zu und trägt erheblich zur Verringerung des Waldbestands und zur Zerstörung von Lebensräumen bei. In Österreich vergrößert sich die Waldfläche aber durch die langjährige Tradition der nachhaltigen Forstwirtschaft tendenziell. Dennoch kann es in bestimmten Regionen aufgrund von Faktoren wie Schädlingsbefall, Stürmen und anderen Naturkatastrophen vorübergehend zu Rückgängen des Waldbestandes kommen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzt Österreich weiterhin auf nachhaltige Waldbewirtschaftung und den Schutz seiner wertvollen Waldressourcen.
- Der Verlust von Urwäldern, die einzigartige Strukturen mit einer Vielzahl von begleitenden Arten beherbergen, ist ein bedauerlicher Prozess, der in einigen osteuropäischen Ländern und Teilen Nordeuropas fortgesetzt wird. In der Mehrheit Europas werden jedoch die Waldbestände reifer, was Chancen bietet, alte Wachstumslebensräume aktiv wiederherzustellen.
- Der zunehmende Holzvorrat in europäischen Wäldern führt nicht automatisch zu einer höheren Biodiversität, da einige Arten von älteren Wäldern profitieren, während andere benachteiligt werden. Ein universeller Schutz der Wälder ist daher nicht ausreichend, und es ist ein differenzierterer Ansatz zur Erhaltung der Biodiversität erforderlich, insbesondere bei der Förderung von Dauerwaldwirtschaft, da diese zu dichteren Wäldern führt, was wiederum zu potenziellen negativen Auswirkungen auf abhängige Arten führen kann.